Wegen der Coronapandemie sind gemeinsame Chorproben nicht mehr erlaubt. Nun singt man per Videokonferenz anstatt im Probelokal. Für die Massnahmen haben die Betroffenen Verständnis.
Einzelne Stimmen zu einem grossen Ganzen verschmelzen – dies ist die grosse Kunst eines Chors. Doch die Coronapandemie macht aus dem grossen Ganzen wieder viele Einzelstimmen. Seit Ende Oktober weitere Massnahmen des Bundes in Kraft getreten sind, ist Chören im Amateurbereich sowohl Auftritte wie auch das gemeinsame Proben verboten.
Im Gegensatz etwa zu Musikgruppen mit Blas- oder Streichinstrumenten, die sich weiterhin zum gemeinsamem Üben treffen dürfen. Zwar nur in begrenzter Anzahl und mit dem nötigen Abstand, aber immerhin. Der Bund begründet die strengeren Regeln für Chöre wie folgt: «Beim Singen werden besonders viele Aerosole und Tröpfchen ausgestossen, was zu einem erhöhten Infektionsrisiko führt.»
«Es ist besser als nichts»
Zwar kann sich der Chor SongTrain aus Oberdorf nicht mehr jeden Donnerstag zum gemeinsamen Proben treffen, dies heisst aber noch lange nicht, dass die Gesangstimmen der rund 45 Vereinsmitglieder nicht mehr erklingen. Doch anstatt aus dem Haus zu gehen, schalten nun jede Woche alle ihren Computer ein, verbinden sich via Videokonferenz, um das gleiche zu tun, wie sonst analog: Singen.
«Es ist besser als nichts», sagt Vereinspräsident Frank-Urs Müller. Es sei aber sehr ungewohnt, «vor allem weil man nur sich selber hört und die anderen Stimmen nicht». Denn wegen den sonst auftretenden Interferenzen müssen sich alle Chorteilnehmer auf stumm schalten. Man hört nur sich und die Begleitmusik.
Singen per Videochat als absolute Notlösung
Auch die Singknaben Solothurn üben jetzt virtuell. Sie waren es sich schon vom Lockdown im Frühling gewohnt, wie der musikalische Leiter Andreas Reize sagt. Und dies habe gar nicht mal so schlecht funktioniert. «Wir waren im Sommer stimmlich ziemlich fit, als wir wieder miteinander proben durften.»
Vor allem die jüngeren Kinder fänden die Proben am Computer noch spannend, erzählt Reize. Für die älteren, die musikalisch schon viel weiter seien, sei es schwieriger. «Chorsingen heisst miteinander singen, aufeinander hören – das ist ein ganz normaler Entwicklungsschritt.» Reize ergänzt: «Singen per Videochat ist eine absolute Notlösung.»
Miteinander zu singen ist zu gefährlich
Beim Chor der Nationen Solothurn hat die Musikkommission mehrere Ideen entwickelt, damit die sowieso bereits reservierten Probedaten sinn- und lustvoll genutzt werden können. Ob man dann doch noch mit gemeinsam online-singen anfange, hänge von der Dauer des Probestopps ab, sagt Vereinspräsident Albert Weibel.
«Der gesellige Teil fehlt enorm», sagt Weibel, «doch wir jammern nicht.» Denn: Die Pandemie sei ernst, miteinander singen momentan schlicht zu gefährlich. Bereits einen Tag vor dem Entscheid des Bundesrats habe der Verein von sich aus entschieden, vorläufig nicht mehr miteinander zu proben. Dies angesichts der steigenden Fallzahlen.
Konzertabsage war herber Dämpfer
Etwas bitter war der Entscheid aus Bern für die Kantorei Solothurn. Am drauf folgenden Wochenende stand Allerheiligen vor der Tür und damit die traditionellen Konzerte der Kantorei. Finanziell hatten die Absagen keine grösseren Folgen, führt Vereinspräsident Fabian Gut aus, «doch es ist ein herber Dämpfer für die Moral der Sängerinnen und Sänger». Auch weil man die Konzerte an Ostern bereits absagen musste. «Wir haben ein ganzes Jahr gearbeitet und konnten doch nichts erreichen.»
Fabian Gut hat für die ergriffene Massnahme Verständnis, doch es fühle sich ein wenig unfair an. «Während wir als Chor unseren Probebetrieb einstellen mussten, können andere Vereine weiter trainieren oder proben.» Nun hofft die Kantorei, dass man an Ostern wieder vor Publikum auftreten kann.
Für den Chor SongTrain fehlt eine solche Perspektive derzeit. Das geplante Konzert im April 2021 hat man bereits abgesagt. Zu unsicher die derzeitige Lage, zu lange die Vorlaufzeit des Events. Zwei Jahre ohne die wichtige Einnahmequelle Konzerte spürt der Chor auch bei den Finanzen. Da man noch nicht auf die Reserven zurückgreifen wollte, hat man an der Generalversammlung die Mitgliederbeiträge um rund einen Drittel für das kommende Jahr erhöht.
Wenn falsche Töne mit Nachdruck erlaubt sind
Dass die gute Laune den Chören dennoch noch nicht abhanden gekommen ist, zeigt das Beispiel der Singknaben. Nebst den seriösen Proben setzt Chorleiter Reize die Technologie auch für den geselligen Teil ein. So fand am Samstag das zweite Stuben-Singen statt. Bei diesen Videokonferenzen sind nicht nur die Stimmbänder der Sängerinnen und Sänger aus den Chören gefragt, sondern auch deren Familienmitglieder oder auch Freunde.
«So kann Mehrstimmigkeit in der eigenen Stube erklingen», sagt Reize. Das sei die grosse Chance im ältesten und zugleich modernsten Knabenchor mitzusingen, schrieb der Chorleiter mit einem Augenzwinkern im Einladungsmail und fügte an: «Falsche Töne sind mit Nachdruck erlaubt.»
Quelle: Solothurner Zeitung